hochsensibel, hochsenitiv, erhöht neurosensitiv – what the heck?
Das Thema Hochsensibilität ist so komplex – zum einen natürlich generell – aber auch für mich und meine Geschichte. So dass aus einer Folge mehrere Teile geworden sind – heute also Teil 1: Behind the Scenes Hochsensibilität, in dem ich dir von meiner persönlichen und beruflichen Reise zum Thema Hochsensibilität erzähle.
Vorweg möchte ich sagen, dass ich keinen Anspruch auf Korrektheit bezüglich meinen Ausführungen erhebe – ich bin ausdrücklich keine Expertin für Hochsensibilität!
Feinfühlig, hochsensibel, erhöht neurosensitv, high sensory processing sensitivity, high sensation seeker, scanner, high performer, ….
All diese Begriffe und was steckt eigentlich dahinter?
Meine Schwester sagte vor Jahren zu mir: lies mal dieses Buch, das hat irgendwas mit uns zu tun – mit uns meinte sie unsere ganze Familie.
Es war „zart besaitet“ von Georg Parlow.
Ich las und dachte – da schreibt jemand über mich.
Ich fühlte mich zugehörig!
Mein Fokus ging weg von dem immer zu viel – feinfühlig, empfindsam, Mimose
oder zu wenig: belastbar, konzentrationsfähig…
Hin zu einer plausiblen Erklärung: ich bin hochsensibel oder wie ich jetzt stimmiger finde erhöht neurosensitiv.
Nach Prof. Dr. Michael Pluess, ist Neurosensitivität „die Fähigkeit, Umgebungsreize zu registrieren und zu verarbeiten“. Erhöhte Neurosensitivität ist somit die erhöhte Fähigkeit, Reize zu registrieren und zu verarbeiten. Gemäss Pluess basiert diese Wahrnehmungsfähigkeit auf der Sensitivität des zentralen Nervensystems. Daher verfügen alle Organismen mit einem Nervensystem über unterschiedliche Sensitivitätslevel.
Etwa 15-20% aller Menschen und Tiere sind erhöht neurosensitiv.
Die wissenschaftliche Forschung ist noch recht jung, es gibt mittlerweile jedoch zahlreiche Bücher zum Thema Hochsensibilität.
Als Buchhändlerin habe im Laufe der Zeit beobachtet, wie meine Kollegin schließlich eine eigene kleine Abteilung „Hochsensibilität“ bei den psychologischen Ratgebern eingerichtet hat. Dort findet man Begrifflichkeiten, wie die oben genannten high sensation seeker, die das Abenteuer und die Abwechslung lieben und brauchen, Scanner, die viel-interessiert und viel-begabt sind, den High Performern, das sind die, die ihre PS voll auf die Straße bringen können – dazu auch in der nächsten Folge noch mehr.
Dann gibt es die Introvertierten, die in Ruhe auftanken, auch wenn sie gesellig sind und die Extrovertierten, die in Gesellschaft auftanken.
Auch wird unterschieden zwischen hochsensibel und hochsensitiv.
Bei den Hochsensiblen sind die 5 Körpersinne feiner ausgeprägt.
Die klassischen 5 Sinne des Menschen sind Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten.
Sie dienen unserer Wahrnehmung und arbeiten mit Hilfe der Sinnesorgane. Wenn wir eine erhöhte Wahrnehmung haben, wirkt sich das sowohl im Positiven als auch im Negativen aus. Wir nehmen besonders viel und präzise wahr, können uns an Schönheit, Musik und Kunst intensiv erfreuen und gleichzeitig sind unsere Sinne auch empfindsamer, um nicht von empfindlich zu sprechen – etwas was wohl jedes erhöht neurosensitive Kind mal zu hören bekommt: sei nicht so empfindlich!
Manche erhöht Neurosensitive riechen und schmecken also sehr intensiv.
Manche haben ein sehr feines und gleichzeitig empfindliches Gehör.
Andere nehmen visuell besonders viel wahr.
Manche sind taktil, also über die Haut sehr empfindsam, können kratzende Kleidung nicht aushalten etc. Das ist besonders für Eltern von hochsensiblen Kindern mit dieser Ausprägung herausfordernd. Da gibt es Kämpfe ums anziehen. Aber natürlich an erster Stelle für das Kind, das sich elementar unwohl fühlt, wenn etwas kratzt oder piekst.
Wer hochsensitiv ist, muss nicht unbedingt über diese Schärfung der fünf physischen Sinne und nicht über diese Empfindsamkeit verfügen.
Hochsensitive haben das, was man landläufig als „sechsten“ oder „siebten“ Sinn bezeichnet. Sie sind extrem empathisch, manchmal regelrecht medial. Sie haben Ahnungen, Visionen oder andere Empfindungen aus der „nicht-alltäglichen Wirklichkeit“.
Hochsensitive verfügen über sogenannte Hellsinne oder übersinnliche Wahrnehmungsbereiche. Diese sind Hellhören, Hellsehen, Hellfühlen und die Intuition, das Hellwissen.
Für Hochsensitive ist es selbstverständlich, dass es Energien außerhalb unserer alltäglichen Wahrnehmung gibt, denn sie nehmen sie direkt wahr. Manche Menschen haben diese Fähigkeiten schon seit frühester Kindheit. Bei anderen entwickeln sie sich erst im Erwachsenenalter.
Kleiner Exkurs zu den Hellsinnen:
Das Hellfühlen ist mit unserem körperlichen Sein am engsten verbunden.
Es hat seinen Sitz auf der Vorderseite des Körpers und erstreckt sich vom oberen Teil des Zwerchfells bis direkt unter den Nabel.
Dieser Bereich wird Solarplexus genannt und ist der Sitz vieler Nervenverbindungen.
Das Hellfühlen wird umgangssprachlich als Bauchgefühl bezeichnet.
Der Wahrnehmungsbereich für das Hellhören, befindet sich direkt über den beiden Ohren.
Dies ist die Gegend der Schläfenlappen des Gehirns,
der Bereich des zentralen Nervensystems, der im Zusammenhang mit der Verarbeitung der Hörwahrnehmungen steht.
Übersinnliches Hören manifestiert sich als innerer Ton: Worte, Redewendungen und ganze Absätze inneren Dialogs mögen sich dir offenbaren, als ob du sie durch übersinnliche Stereokopfhörer hörst.
Der Wahrnehmungsbereich für das Hellsehen befindet sich auf der Höhe der Stirn.
Dies ist der Ort, den die alten Philosophen das Dritte Auge nannten.
Es gibt 2 Arten von medialem Sehen.
Die eine ist das Aura-Sehen, sie ermöglicht dir, das Energiefeld zu sehen welches jeden von uns umgibt.
Die 2. Art erfolgt in inneren Bildern, als würde innerlich ein Film ablaufen.
Auf dieser Ebene kann man durch Bilder richtiggehend Visionen empfangen oder Antworten bekommen, Personen imaginieren, mit den man sich austauschen kann oder auf innere Reisen gehen etc. Die 2. Art ist mir persönlich sehr vertraut.
Hellwissen oder einfach Wissen umgangssprachlich als Intuition bezeichnet, welches mein ausgeprägtester Hellsinn ist, gilt als der feinste und flüchtigste der vier medialen Sinne.
Es ist eine innere Bewusstheit, die nicht von irgendeiner inneren Empfindung bekräftigt wird oder von einem äußeren Reiz abhängt.
Man weiß einfach!
Der übersinnliche Wahrnehmungsbereich für Intuition befindet sich am oberen Teil des Kopfes, am Corpus Callosum, dem Nervenstrang, der die beiden Gehirnhälften miteinander verbindet und dem Bereich darüber.
Für Menschen mit diesem Kanal ist Erdung besonders wichtig.
Hochsensitivität und Hochsensibilität treten oft gemeinsam auf, aber nicht immer. Es gibt Hochsensible ohne ausgeprägte Empathie oder nicht-alltäglichen Wahrnehmungen und es gibt Hochsensitive, deren Körper- Sinne durchschnittlich ausgeprägt sind.
Zurück zu meinem Weg:
Obwohl ich über dieses ganze Wisse damals noch nicht verfügte, änderte sich mein Blick auf mich selbst:
weg vom pathologischen Blickwinkel – Depression, Burnout oder auch Boreout
hin zu einem konstruktiven Blick auf mich: ich nehme mehr wahr!
Was also mache ich jetzt damit am besten?
Ich machte mich selbständig!
und meine Mission war es fortan, Menschen, wie mich, die sich immer falsch gefühlt haben, zu unterstützen, ja zu ermächtigen ihre Fähigkeiten anzuerkennen, sich zu entfalten und ihr Potential auf die Straße zu bringen.
Ich sah Hochsensibilität als Gabe,
die wenn wir sie und uns richtig „behandeln“,
sie behüten, z,B, durch Abgrenzung,
unseren Frieden mit ihr und somit mit uns machen,
zu uns stehen
und das auch nach außen kommunizieren,
dass wir sie dann vollumfänglich entfalten können
und diese Gabe in die Welt bringen,
zum Wohle Aller! –
So meine Überzeugung
schön gedacht, hehrer Anspruch…
Ich machte mich ans Werk:
veranstaltete Abende zum Austausch unter Hochsensiblen in Berlin und begleitete viele hochsensible Menschen im Einzelcoaching,
machte noch eine Ausbildung zur Präsenztrainerin für Stimme und Körpersprache, um die Stimme der Hochsensiblen in dieser Welt zu bestärken, die eine so Wichtige ist!
Im Laufe der Zeit war ich erschöpft.
und jetzt wird es heikel und ich weiß, dass ich damit vielleicht einige Menschen vor den Kopf stoße.
Denn es begegneten mir immer mehr Hochsensible, die gar nicht den Willen hatten ihre Gabe zum Wohle Aller auf die Straße zu bringen.
Die sich vielmehr gemeinsam über die nicht- Hochsensiblen, dumpfen Menschen da draußen auslassen wollten,
die sich als Opfer ihrer ständig überreizten Wahrnehmung oder der unsensiblen Umwelt fühlten,
die Berlin hassten, aber trotzdem nicht wegzogen,
die überzeugt waren überhaupt nicht belastbar zu sein…
Auch begegnete mir viel Egozentrik
und hin und wieder wenig Empathie.
Ich war verwirrt.
Und begann mich zu fragen, ob ich selbst vielleicht gar nicht hochsensibel bin?
Mein Kohärenzgefühl schlug Alarm!
Das, was mir zunehmend begegnete fühlte sich nicht stimmig an – was nun?
Meine geliebte Zugehörigkeit begann mir flöten zu gehen…
Dann gab es da aber auch die anderen:
die etwas gestalten wollen,
die sagten, ja ich bin hochsensibel aber das ist kein leidvolles Thema für mich,
oder kein leidvolles Thema MEHR für mich.
Bei einigen überwog also die Überreizung und die damit einhergehende Überforderung – gerade auch in Berlin.
Andere waren im Stande ihre erhöhte Neurosensitivität zu nutzen.
Und natürlich gab es alle Farben dazwischen
Mein Struggle begann: ich wollte natürlich allen helfern und besonders denen, die sich in ihrer Welt kaum bewegen konnten.
Aber bei manchen schaffte ich es einfach nicht. Ein Gefühl von Ohnmacht kam auf, ein sehr vertrautes und gleichwohl ungeliebtes Gefühl von mir!
Ich fühlte mich als schlechte Coachin.
Bei einigen meiner Klienten konnte ich aber etwas bewirken!
Sie breiteten die Flügel aus und flogen los, um ihren Platz einzunehmen
Was war anders bei den einen und bei den anderen?
Ich dachte mir: na gut: Hochsensible sind so unterschiedlich wie alle andern Menschen auch. Sie haben eben nur diese eine Gemeinsamkeit, nämlich die erhöhte Fähigkeit, Reize zu registrieren und zu verarbeiten
So unterschiedlich und individuell die Ausprägung der jeweiligen Hochsensibilität ist,
gingen meine Klienten eben auch sehr unterschiedlich mit ihrer erhöhten Neurosensitivität um.
Doch ganz befriedigt war ich nicht mit dieser Antwort.
Heute weiß ich, dass mit der oben genannten Differenzierung hochsensitiv viel eher auf mich zutrifft als hochsensibel.
Damals zog ich mich ein bisschen zurück von der Spezialisierung oder in Marketingkreisen spitzen Positionierung auf Hochsensible.
Eine für mich wirklich durchschlagend befriedigende Antwort erhielt ich erst in diesem Frühjahr!
Und davon erzähle ich dir nächste Woche im 2. Teil „Behind the Scenes HSP“ 🙂
Bis zum nächsten Mal dreh dich frei!
Deine Jana